Stärkung der Mitgestaltungsrechte der Schüler*innen und ihrer Vertretungen (53-02)

Die LDK hat beschlossen:

Einleitung

Schule lebt von der Beteiligung aller. Die Schule in einer demokratischen Gesellschaft soll ein Ort sein, der von den an ihr Beteiligten mitgestaltet werden kann. Möglichkeiten der Mitgestaltung durch Mitsprache und Mitbestimmung zu ermöglichen, sollte ein zentrales Merkmal moderner Schule sein, erst recht in einem Bundesland, in welchem diese Möglichkeit der Mitgestaltung Verfassungsrang hat. Schule in Sachsen muss sicherstellen, dass Schüler*innen auf Augenhöhe mit anderen an Schule Beteiligten die Schule und das Schulumfeld mitgestalten. Um diesem Anspruch zu genügen, brauchen Schüler*innen die notwendigen Rechte und Strukturen, um sich einzubringen. Die Schüler*innenvertretung (SV) gem. §§ 51 ff. SächSchulG nimmt hierbei eine herausgehobene Stellung ein, als organisierte und gesetzlich gesicherte dauerhafte Instanz der Beteiligung am Schulalltag.

Stärkung der Schulkonferenz

Die Schulkonferenz ist das einzige Gremium in der Schule, dass alle im Alltag relevanten Akteur*innen an einen Tisch bringt. Sie muss das Hauptorgan der Schule sein – ist in der Praxis aber oft nur der verlängerte Arm der Gesamtlehrkräftekonferenz. Wir fordern, die Schulkonferenz spürbar zu stärken. Dazu bedarf es folgender Maßnahmen:

  • Die Kompetenzen der GLK müssen weitgehend auf die Schulkonferenz übergehen. Die in § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 2-5 LKonfVO genannten Themen sollen in die Liste der zustimmungspflichtigen Angelegenheiten gemäߧ 43 Abs. 2 S. 1 SächsSchulG übergehen.
  • Die Schulkonferenz soll allen baulichen Maßnahmen auf dem Schulgelände zustimmen müssen, der Schulträger muss die Schulkonferenz entsprechend beteiligen.
  • Die Schulkonferenz soll bei Fragen der Ausstattung der Schule (z.B. Möbel) und bei der Wahl des Schulessensanbieters gegenüber dem Träger ein Mitspracherecht erhalten.
  • Generell soll die Schulkonferenz die Befugnis erhalten, initiativ Beschlüsse in ihren Angelegenheiten zu fassen.Bisher hat dieses Recht nur die Gesamtlehrkräftekonferenz, dadurch fehlt der Schulkonferenz die Möglichkeit, eigenständig ihre Anliegen nach vorn zu bringen.

Interne Evaluation der Schulen voranbringen

Die eigene Arbeit zu evaluieren ist seit Jahren Pflichtaufgabe der Schule (vgl. § 3a Abs. 2 SächsSchulG). In der Praxis ist zumindest für Schüler*innen jedoch nicht spürbar, dass eine solche kritische Überprüfung der eigenen Arbeit an Schulen erfolgt, zumindest nicht unter Einbeziehung von Schüler*innen.

Solche internen Evaluationen bergen das Potenzial, die Mitgestaltungsmöglichkeiten der Schüler*innen zu stärken. Zum einen ermöglichen sie die aktive Beteiligung der Schüler*innen und ihrer Vertreter an Veränderungsprozesse der Schule, zum anderen zwingen sie die Schulen sich regelmäßig aktiv kritische Fragen über ihre eigene Arbeit zu stellen.

Wir fordern, dass alle Schulen ihrer gesetzlichen Pflicht zu regelmäßiger interner Evaluation nachkommen. Schulen sollen zukünftig gesetzlich verpflichtet werden, in regelmäßigen Abständen insbesondere die eigenen Schulkultur, den Grade der Beteiligung von Schüler*innen und bezüglich des allgemeinen Wohlbefindens der Schüler*innen sich selbst kritisch zu hinterfragen. Fokusgruppen, Umfragen oder Workshopformate können aus unserer Sicht Ansatzpunkte sein.

Stärkung der SV insgesamt

Die Grundlagen der SV in Sachsen sind die vier Basisrechte, die der SV gem. § 51 Abs. 1 S. 4 SächsSchulG eingeräumt werden: Informations-, Anhörungs- und Vorschlags-, Vermittlungs- und Beschwerderecht. Diese vier Rechte bilden jedoch eine nur unzureichende Grundlage für jede Form der SV-Arbeit, da sie schlussendlich nur auf mögliche Eingaben der SV an die handelnden Akteure, nicht aber eine Auseinandersetzung mit diesen hinauslaufen. Es fehlt die Pflicht der anderen Seite, auf das zu antworten, was die SV vorträgt. In jetziger Form ist es völlig rechtskonform, alles was die SV an Anliegen vorträgt konsequent zu ignorieren. Das entspricht nicht unserer Vorstellung einer Mitgestaltung auf Augenhöhe. Eine Stärkung der SV-Basisrechte ist eine Stärkung aller SV-Strukturen, und als solche ein geeigneter erster Schritt.

Wir fordern:

  • das Informationsrecht zu stärken. Schülervertretungen sollen zukünftig neben der bloßen Information das Recht erhalten, dass ihnen die entsprechende Sache erläutert und erklärt
  • das Anhörungs- und Vorschlagsrecht zu stärken. Binnen angemessener Frist, aus unserer Sicht vier Wochen, muss die angesprochene Stelle eine begründete Antwort auf Vorschläge/Anregungen abgeben. In dieser muss dargelegt werden ob und wie die angesprochene Stelle den Vorschlag/die Anregung weiterverfolgt.
  • das Beschwerderecht zu stärken. Binnen angemessener Frist, aus unserer Sicht max. vier Wochen, muss die angesprochene Stelle eine begründete Antwort auf Beschwerden abgeben. In dieser muss dargelegt werden ob und wie die angesprochene Stelle die Beschwerde weiter Darüber hinaus sollen neben „Beschwerden allgemeiner Art“ zukünftig Beschwerden, die das Amt des/der Schülervertreter*in betreffen ausdrücklich zulässig sein.
  • im SächsSchulG klarzustellen, dass die vier Basisrechte für die KSR/SSR sowie den LSR ebenso gelten, dass jedoch an Stelle der Schule der Landkreis/kreisfreie Stadt und die kreisangehörigen Gemeinden oder das LaSuB betreffend den jeweiligen Landkreis für die KSR/SSR bzw. das SMK für den LSR tritt.

Oft genug werden jedoch selbst die geltenden Rechte der SV von den Verantwortlichen nicht eingehalten, obwohl diese gesetzlich normiert sind. Dagegen können Schülervertreter*innen sich nur unzureichend wehren. Theoretisch steht ihnen der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen, praktisch kann ein*e Schülervertreter*in bzw. eine SV diesen Weg nicht gehen. Der Gesetzgeber baut hier eine hohe Hürde auf, die letztlich dazu führt, das SV-Rechte in der Praxis häufig zu unverbindlichen Handlungsempfehlungen degradiert werden.

Wir fordern, einen niedrigschwelligen Beschwerdeweg für Verstöße gegen die Rechte der SV gesetzlich festzuschreiben. Das LaSuB als Schulaufsichtsbehörde soll verpflichtet werden, derartigen Beschwerden von Klassensprecher*innen und Schüler*innenräten über Akteure an ihrer Schule sowie von KSR/SSR über die Kommunen nachzugehen und in seiner Funktion als Recht- und Dienstaufsicht geeignete Maßnahmen verhängen, wenn es Verstöße feststellt. Es soll die betroffene SV über seine Entscheidung schriftlich informieren und diese begründen. Das LaSuB soll dafür Beschwerdestellen einrichten und deren Kontaktdaten veröffentlichen. Schüler*innenräte sollen auch Beschwerden über die Missachtung der Rechte der Schulkonferenz einreichen dürfen.

Klassensprecher*innen und Klassenräte

SV beginnt in der eigenen Schulklasse, im eigenen Kurs bzw. der eigenen Gruppe. Ein Großteil des Schulalltages spielt sich in der Schulklasse ab, vieles davon wird für

die einzelne Schulklasse individuelle entschieden. Die SV ist auf dieser Ebene in der Regel der/die Klassensprecher*in (bzw. Kursprecher*in).

Wir fordern, zusätzlich zu dem/der Klassensprecher*in Klassenräte in allen Klassenstufen zu ermöglichen. Klassenräte sollen zusätzlich zu Klassensprecher*innen eine geordnete, demokratische Form der Mitgestaltung und Selbstverwaltung durch alle Schüler*innen der Klasse ermöglichen.

Dem Klassenrat sollen die Basisrechte der SV gem. § 51 Abs. 1 S. 4 SächsSchulG zuteilwerden. Er soll das Recht haben, sich in regelmäßigen Abständen in der Unterrichtzeit zu versammeln. Schüler*innen und Lehrkräfte sollen über Funktionsweise, Rollenverteilung und Mitwirkungsrechte des Klassenrates aufgeklärt werden. Der Klassenrat soll über alle Angelegenheiten, welche die Klassen insgesamt berühren, beraten können. Der Klassenrat soll unter anderem dazu dienen,

  • über Konflikte innerhalb der Klasse zu beraten und sie zu lösen,
  • sich bei Bedarf kritische über den Fachunterricht auszutauschen,
  • Wandertage und Klassenfahrten so weit wie möglich eigenverantwortlich zu planen,
  • Anliegen und Beschwerden einzelner Schüler*innen, egal zu welchen Themen, zu beraten und sich über das weitere Vorgehen auszutauschen.

Zusätzlich zum Klassenrat soll weiterhin ein*e Klassensprecher*in gewählt werden, welche die Klassen im Schüler*innenrat vertritt. Klassenräte sollen das Recht erhalten, sich unter Ausschluss der Lehrkräfte zu beraten. Jede in der Klasse unterrichtende Lehrkraft soll verpflichtet sein, an einer Sitzung des Klassenrates teilzunehmen, insofern dieser ihre Anwesenheit wünscht.

Wir fordern darüber hinaus, dass der/die Klassensprecher*in stimmberechtigtes Mitglied der Klassenkonferenz ihrer Schulklasse wird. Innerhalb der Klassenkonferenz wird über die wichtigsten Fragen, die die Schulklasse betreffen, beschlossen, der/die Klassensprecher*in muss hier Zugang und Mitspracherecht haben, wie dies in anderen Bundesländern bereits der Fall ist.

Schüler*innenrat und Schülersprecher*innen

Der Schüler*innenrat ist das Herz der Schüler*innenmitwirkung in Sachsen. Gemeinsam mit dem/der Schülersprecher*in übernimmt er die Vertretung der Schüler*innen auf Schulebene. Er agiert dabei stets in Wechselwirkung mit der Schulkonferenz. Da wir diese als Hauptorgan der Schule sehen, sind wir grundsätzlich einverstanden, dass Schüler*innenräte und Schülersprecher*innen tatsächliche Mitbestimmung meist über die Schulkonferenz ausüben. Nichtsdestotrotz braucht der Schüler*innenrat und seine*e Schülersprecher*in eine starke eigene Position, die ihm im aktuellen Mitwirkungssystem nur unzureichend zu Teil wird.

Wir fordern, dass der/die Schülersprecher*in und andere entsandte Vertreter*innen des Schüler*innenrates das gesetzliche Recht erhalten, an allen Sitzungen der Gesamtlehrkräftekonferenz beratend teilzunehmen. Dasselbe soll in Bezug auf die Fachkonferenzen gelten.

Wir fordern, dass der Schüler*innenrat das gesetzliche Recht erhält, Anträge an die Schulkonferenz und alle Lehrkräftekonferenzen betreffend deren Zuständigkeitsbereich zu stellen, über welche die jeweiligen Konferenzen verpflichtend zu beraten hat. Darüber hinaus soll bei Abstimmungen in der Schulkonferenz die Stimmen der anwesenden Schülervertreter*innen stets so viel zählen, als wären alle Vertreter*innen des Schülerrates anwesend, soweit die anwesenden Vertreter*innen einheitlich abstimmen.

Wir fordern zudem, dass folgende grundsätzliche Entscheidungen der Schule zu ihrem Inkrafttreten in jedem Fall der Zustimmung des Schüler*innenrates bedürfen, der Schüler*innenrat mithin ein Vetorecht erhält bei Beschluss des Schulprogrammes und der Hausordnung.

SV-Arbeit auf kommunaler Ebene

Entscheidungen auf kommunaler Ebene – Gemeinden, Städte, Landkreise/kreisfreie Städte – beeinflussen das Schulnetz der gesamten Umgebung. Hier stehen insbesondere Schulträgeraufgaben, schulnetzplanerische Aufgaben und Fragen des ÖPNV im Vordergrund. Die konkreten Mitwirkungsrechte der KSR/SSR sind in Sachsen im Vergleich dazu noch unzureichend ausgeprägt.

Wir fordern, die Schulträger gesetzlich zu verpflichten, die KSR/SSR vor allen Maßnahmen betreffend die sie obliegenden Aufgaben anzuhören, soweit dadurch mehr als eine Schule im jeweiligen Landkreis/kreisfreie Stadt betroffen ist. Wir fordern ebenso, das Anhörungsrecht der Kreis- und Stadtschülerräte gemäß § 10 SächsSchulnetzVO auszubauen. Statt einer Anhörung soll ein Einvernehmen des KSR/SSR notwendig sein. Erteilt der KSR/SSR sein Einvernehmen nicht, soll der Kreistag/Stadtrat der kreisfreien Stadt den Teilschulnetzplan nur dadurch aufstellen können, dass er in seinem Beschluss explizit die Ablehnung des KSR/SSR überstimmt. Wir fordern darüber hinaus, dass alle Schulträger gesetzlich verpflichtet werden Schulbeiräte (als sonstige Beiräte im Sinne der Gemeindeordnung bzw. Landkreisordnung) einzurichten, in welche Vertreter*innen der KSR/SSR als sachkundige Anwohner*innen berufen werden müssen. Die KSR/SSR sollen das Recht erhalten, jeweils für die Dauer eines Schuljahres ihren Vertretungen in Schulbeiräten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden an Schülersprecher*innen aus diesen Städten und Gemeinden zu übertragen. Über diese Schulbeiräte soll ein Plenum gegeben werden, um über alle Maßnahmen die Schulträgeraufgaben betreffen zu beraten und alle ihnen bedeutsame Anliegen vorzubringen. Die Schulbeiräte sollen auch zu Fragen der Schüler*innenbeförderung beteiligt werden müssen.

SV-Arbeit auf Landesebene

Die dritte Ebene im dreigliedrigen System der SV in Sachsen ist die Landesebene, die dem LSR selbst obliegt. Auch hier, insbesondere gegenüber dem Kulturministerium, ist eine stärker Einbeziehung von Schüler*innen angezeigt. Im Vergleich zu anderen Bundesländern rangiert der Freistaat Sachsen hier allenfalls im Mittelfeld, was die gesetzlich gesicherten Mitwirkungsrechte der Schüler*innenvertretung angeht. Ein Bundesland, dass sich für seine angebliche Vorreiterrolle im Bildungssystem lobt, sollte auch an dieser Stelle mit gutem Beispiel voran gehen.

Wir fordern, dem LSR eigenständige Anhörungsrechte bei den Maßnahmen des Kultusministeriums einzuräumen. Wir fordern dieses Recht ausdrücklich als eigenständiges Recht des LSR, dass ihm unabhängig vom Landesbildungsrat zuzustehen hat. Schüler*innen sind jene Gruppe die von Maßnahmen im Schulsystem hauptsächlich betroffen sind, wir unterscheiden uns dadurch von denen anderen im LBR vertretenen Gruppen, insbesondere denen unter § 63 Abs. 3 Nr. 4-13 SächsSchulG genannten, die für das Schulsystem weniger relevant sind. Wir fordern daher ein eigenständiges Anhörungsrecht des LSR bezüglich allgemeiner Bestimmungen über Bildungsziele und -inhalte, Lehrpläne, Entwürfe von Verwaltungsvorschriften, Rechtsverordnungen und Gesetzesentwürfe des SMK welche vorrangig die Schule betreffen, auf Antrag des LSR sind ihm die Gegenstände zu erörtern. Das SMK soll die Stellungnahme des LSR in seiner Entscheidung berücksichtigen, beantworten und eine Ablehnung begründen müssen. Bei Gesetzesentwürfen an den Landtag ist die Stellungnahme des LSR sinngemäß im Begründungstext wiederzugeben.

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