Historische Bildung (57-03)

Unser Anspruch an historische Bildung

In einer zunehmend komplexen und globalisierten Welt ist historische Bildung unverzichtbar für die Entwicklung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins. Sie befähigt Schüler:innen, historische Zusammenhänge zu erkennen, verschiedene Perspektiven zu verstehen und aktuelle Ereignisse im Kontext der Vergangenheit zu interpretieren.

Der LSR sieht das Fach Geschichte (bzw. das Fach Geschichte/Gemeinschaftskunde) als zentrales Ankerfach der historischen Bildung. Historische Bildung muss dabei – wie andere Bildungsziele – fächerübergreifend gedacht und ausgebaut werden. Hierbei sind vor allem die Fächer Geografie, GK/GRW, Deutsch sowie Ethik/Religion im weiteren Sinn in der historischen Bildung vertreten. Damit historische Bildung aber fächerübergreifend verzahnt ist und für Schüler:innen erkennbar wird, bedarf es verstärkter Kooperationen zwischen diesen Fächern.

Um den Anforderungen gerecht zu werden, bedarf es folgender grundsätzlicher Anpassungen:

  1. Die Stundenzahl für das Fach Geschichte ist auf 2 Wochenstunden in den Klassen 5–7 und auf 3 Wochenstunden ab Klasse 8 zu erhöhen.
  2. Förder- und Beratungsprogramme zur historischen Bildung müssen erweitert und deren Bekanntheit durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere in sozialen Medien gesteigert werden.
    Der LSR sieht dabei u.a. den Ausbau der Landesservicestelle „Lernorte des Erinnerns und Gedenkens“ als einen möglichen Baustein an. Dabei müssen auch Exkursionen, zu inhaltlichen Themen außerhalb des 20. Jahrhunderts und vor der Klassenstufe 8 in den Fokus gerückt werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass alle Schüler:innen die Möglichkeit für diese Exkursion haben. Deshalb müssen diese durch die Schule finanziell unterstützt werden. Besonders der Besuch von NS-Gedenkstätten soll verpflichtend sein und für Schüler:innen ab der 9.Klasse organisiert werden. Der Besuch weiterer Gedenkstätten ist erstrebenswert. Im Rahmen des Lehramtsstudiums muss ebenfalls der Umgang mit Schüler:innen bei Gedenkstättenbesuchen thematisiert werden, sodass Sensibilität, Aufklärung und die Vermittlung der Ernsthaftigkeit und Bedeutung unterstrichen werden. Der Einsatz von Zeitzeugenberichten sollte ausgebaut, aber auch kritisch reflektiert werden.
  3. Die Digitalisierung muss auch in der historischen Bildung ausgebaut werden. Angebote, wie digitale Lerninhalte oder Online-Führungen, sind zu erweitern, um den Zugang zu historischen Inhalten zu erleichtern. Dabei muss ein besonderer Fokus auf der kritischen Betrachtung und Einordnung von Quellen und Darstellungsformen liegen.
  4. Im Lehrplan muss Flexibilität geschaffen werden, um aktuelle historische Ereignisse zeitnah im Unterricht behandeln zu können.
  5. In der Erarbeitung der Inhalte muss sichergestellt werden, dass die auf eine altersgerechte historische Weise aufbereitet sind. Die historische Aufarbeitung und Reflektion der Materialien im Vorhinein sind unerlässlich für einen späteren qualitativ hochwertigen Unterricht. Auch die aktuellen Inhalte müssen im Hinblick auf ihre Adäquatheit geprüft werden. 

Unser Anspruch an die zu vermittelnden Kompetenzen

In der historischen Bildung sollen neben fachlichen Inhalten auch zentrale Kompetenzen vermittelt werden, die für viele weitere Fächer von Bedeutung sind. Der Gestaltungsspielraum der Lehrkräfte, wie der Unterricht gestaltet wird und welche zusätzlichen inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden, muss gewahrt werden. Der Fokus soll insbesondere auf folgende Themen gesetzt werden:

  • Frühes und gezieltes Recherchieren sowohl mit analogen als auch digitalen Medien sowie die sachgerechte Nutzung der gewonnenen Informationen auch in Hinblick auf Quellenarbeit.
  • Die Analyse verschiedener Quellentypen, darunter schriftliche, bildliche, mündliche und materielle Quellen, Ton- und Filmquellen.
  • Der bewusste Umgang mit Strategien des Lernens und Verstehens sowie der Anwendung erworbenen Wissens. Das kritische Hinterfragen von Textquellen insbesondere politischen Reden, Diskussionsbeiträgen und historischen Aussagen.
  • Das Führen historischer Debatten mit Schwerpunkt auf Argumentation, dem Aufbau einer klaren Argumentationslinie und dem sachlichen Entkräften gegenteiliger Positionen.
  • Die Analyse gesellschaftlicher Strukturen im historischen Wandel.
  • Die historische und kulturelle Einordnung von Ereignissen, Entwicklungen und Symbolen.
  • Der reflektierte Umgang mit Symbolik und deren Bedeutung in unterschiedlichen historischen Kontexten.
  • Multiperspektivisches Denken und die Sensibilisierung für unterschiedliche Sichtweisen fördern, um die kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erreichen.
  • Praxisorientiertes Lernen durch Exkursionen und praktische Zugänge zur Geschichte.
  • Besuche von Gedenkstätten und das reflektierte Auseinandersetzen mit Erinnerungskultur.
  • Der bewusste Besuch von Museen und Workshops sowie die kritische Analyse und Bewertung der dort vermittelten Inhalte.
  • Die Begegnung mit Zeitzeug:innen, sowohl in Präsenz als auch digital, sowie die Umsetzung und Weitergabe ihrer Erfahrungen und Geschichten.
  • Die Durchführung von Rollen- und Planspielen unter Berücksichtigung historischer Kontexte, um ein vertieftes Verständnis für Zusammenhänge, Perspektiven und Entscheidungen zu entwickeln.

Unsere Anforderungen für die Inhalte des Geschichtsunterrichts

Das Fach Geschichte nimmt innerhalb der schulischen Bildungslandschaft eine besondere Rolle ein. Als Ankerfach der historischen Bildung hat es die zentrale Aufgabe, den Schüler:innen ein fundiertes Geschichtsbewusstsein zu vermitteln und ihnen die Entwicklung menschlicher Gesellschaften, Kulturen und politischer Ordnungen verständlich zu machen.

Im Geschichtsunterricht müssen die Schüler:innen die Geschichte sowie zentrale Entwicklungen der Weltgeschichte kontextbezogen kennenlernen mit den folgenden Inhalten:

  • Die Urgeschichte soll im Geschichtsunterricht nicht umfangreich behandelt werden. Damit stellt dies eine klare Kürzung im Vergleich zum aktuellen Lehrplan dar. Ziel ist es, ein Grundverständnis für die Lebensweise, Entwicklung und kulturellen Leistungen früher Menschen zu schaffen, um eine Basis für das Verständnis nachfolgender historischer Epochen zu legen.
  • Die Antike wird anhand der drei zentralen Hochkulturen Ägypten, Griechenland und Rom thematisiert. An diesen Beispielen sollen insbesondere die Ursprünge der Demokratie und deren konträre Entwicklungen (z. B. Monarchie, Diktatur) verdeutlicht werden. Neben der politischen Entwicklung wird ein besonderer Fokus auf die Wissenschafts- und Kulturgeschichte dieser Zeit gelegt. So soll die Antike nicht nur als politisches, sondern auch als geistiges Fundament der europäischen Geschichte erfahrbar gemacht werden.
  • Das Mittelalter soll in seinen verschiedenen historischen Abschnitten behandelt und dabei insgesamt kürzer gefasst werden. Besonderes Augenmerk soll hierbei auf die Stadtentwicklung gelegt werden. Dieser Fokus soll nicht im Ankerfach Geschichte gesetzt sein, sondern vertiefend in Geografie behandelt werden. Darüber hinaus soll die Rolle der Religion und ihre konkrete Ausprägung im Alltag betrachtet werden. Neben diesen beiden Inhalten sollen die Kreuzzüge betrachtet werden. Hierbei soll neben dem Geschichtsunterricht auch entsprechend in Religion der Fokus daraufgelegt werden. 
  • Die Entwicklung der Gesellschaftsmodelle ist ein elementarer Inhalt der Historischen Bildung um unsere heutigen Gesellschaftsmodelle besser verstehen und einordnen zu können.
  • Bei der Frühen Neuzeit soll insbesondere die Hexenverfolgung und die daraus entstandenen Gesellschaftsverhältnisse behandelt werden. 
  • Der (deutsche) Kolonialismus verankert sich im Lehrplan Geschichte in allen Schulformen als Thema. Dabei soll neben allgemeinen Fakten und Definitionen besonders auf die (deutschen) Kolonialverbrechen eingegangen werden. Ebenso sollen den Schüler:innen die Folgen des Kolonialismus in Bezug auf (heutigen) Rassismus, Neokolonialismus und globale Ungleichheit nähergebracht werden. Es ist darauf zu achten, im Unterricht auch Quellen der Opfer einzubeziehen, um die Vermittlung einer ausschließlichen Perspektive der Kolonialmächte zu verhindern.
  • Der Absolutismus soll ebenfalls gekürzt behandelt werden, um Platz für aktuellere Ereignisse zu schaffen. Besonders liegt der Fokus bei dem Staatsverständnis der verschiedenen Akteur:innen der Zeit und das Repräsentieren und Ausleben von Macht.
  • Die Französische Revolution, welche als Wendepunkt neuer politischer Ideen, Menschenrechte und gesellschaftliche Strukturen hervorbrachte, steht dabei am Anfang der zentralen revolutionäre Umbrüche der Neuzeit. Darauf aufbauend soll die Zeit Napoleons analysiert und seine Rolle bei der Umgestaltung Europas, insbesondere Deutschlands untersucht werden. 
  • Die Revolution von 1848 bietet Einblicke in demokratische Bestrebungen in Deutschland und Europa. An dieser anknüpfend wird die Reichseinigung betrachtet, um die Entwicklung des deutschen Nationalstaats nachzuvollziehen.
  • Die industrielle Revolution und ihre wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Auswirkungen sollen als Längsschnitt betrachtet werden. Im Fokus stehen hierbei technologische Erfindungen, der Wandel der Arbeitswelt und die zunehmende Verstädterung. Die soziale Frage, Kinderarbeit, neue Klassenverhältnisse und erste sozialpolitische Maßnahmen werden ebenso thematisiert wie globale Entwicklungen, die sich im Zuge der Industrialisierung abzeichneten. Ziel ist es, die enge Verflechtung von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zu verdeutlichen. Auch eine Übertragung auf die dritte gesellschaftliche Revolution („Digitale Revolution“) soll einbezogen werden.
  • Abschließend sollen gesellschaftliche Veränderungen im Kaiserreich betrachtet werden, insbesondere mit Blick auf die Klassengesellschaft, die Industrialisierung und die Stellung der Frau. Die Ursachen des Ersten Weltkriegs – sowohl langfristige wie auch auslösende Faktoren – bilden den Einstieg in dieses Thema. Die Schüler:innen sollen sich mit dem Verlauf des Krieges, dem Leben an der Front, technisch-militärischen Neuerungen sowie mit den Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung beschäftigen. Besondere Aufmerksamkeit gilt den politischen und gesellschaftlichen Folgen des Krieges, die den Boden für spätere Konflikte bereiteten.
  • Die Russische Revolution soll als bedeutender Einschnitt der Weltgeschichte behandelt werden. Die Schüler:innen sollen die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ursachen des Umbruchs sowie den gekürzten Verlauf der Revolution untersuchen. Dabei wird auch auf die Gründung der Sowjetunion, ihre Ideologie und die Auswirkungen auf die internationale Politik primär eingegangen. 
  • Anhand der Weimarer Republik sollen die Schüler:innen die erste deutsche Demokratie kennenlernen. Die wirtschaftlichen Krisen, politischen Spannungen und gesellschaftlichen Unsicherheiten der Zeit bilden den Hintergrund für den Aufstieg des Nationalsozialismus. Ziel ist es, ein vertieftes Verständnis dafür zu entwickeln, wie eine demokratische Ordnung durch demokratiefeindliche Bewegungen überwunden werden konnte.
  • Der Nationalsozialismus stellt das dunkle Kapitel der deutschen Geschichte dar, aus dem wir lernen müssen, um vergleichbare Entwicklungen in der Zukunft zu verhindern. Dabei muss die Ideologie, Propaganda, Herrschaftsstruktur sowie die Gleichschaltung der Gesellschaft im Zeitraum von 1933 bis 1939 behandelt werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Ausbreitung des Antisemitismus, der Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und der systematischen Vernichtung im Holocaust/Shoah. Ziel ist es, das Bewusstsein für Verantwortung, Menschenrechte und die Bedeutung historischer Erinnerung zu schärfen.
  • Der Zweite Weltkrieg soll in seinen Ursachen, seinem globalen Verlauf und seinen Auswirkungen behandelt werden. Besondere Themenschwerpunkte sind das Leben im Krieg, die nationalsozialistische Besatzungspolitik, der Widerstand gegen das Regime sowie die Kriegsverbrechen. Die Schüler:innen sollen die globale Dimension des Krieges sowie seine tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Folgen erfassen.
  • Die Nachkriegszeit muss vertiefter behandelt werden. Die Schüler:innen sollen sich mit den politischen Neuordnungen in Europa, der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen und der späteren Gründung von BRD und DDR auseinandersetzen. Der Umgang mit der NS-Vergangenheit, die Entnazifizierung sowie erste Schritte des Wiederaufbaus sollen im Mittelpunkt stehen.
  • Der Kalte Krieg muss als globaler Konflikt zwischen Ost und West behandelt werden. Darunter fällt auch die Blockbildung, der Rüstungswettlauf, Krisen wie die Kubakrise sowie Stellvertreterkriege. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Alltag in der Bundesrepublik und der DDR. Ereignisse wie der 17. Juni 1953 oder der Mauerbau sollen die politischen Spannungen und deren Einfluss auf das Leben der Menschen verdeutlichen. Ab diesem Zeitpunkt sollen Zeitzeugen aktiv einbezogen werden.
  • Historische Bildung muss die Ursachen und den Verlauf der Friedlichen Revolution in der DDR behandeln und Schüler:innen sollten deren Bedeutung für den Umbruch in Europa analysieren. Die Wiedervereinigung Deutschlands soll sowohl in politischer als auch in gesellschaftlicher Hinsicht behandelt werden. Dabei muss auch auf die Herausforderungen des Vereinigungsprozesses eingegangen werden und die daraus resultierenden Probleme bis heute.
  • Abschließend müssen die Schüler:innen befähigt werden, aktuelle Konflikte im Licht historischer Entwicklungen zu betrachten. Es geht darum, historische Ursachen und Parallelen zu erkennen und daraus ein reflektiertes Verständnis für gegenwärtige politische und gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Die Beschäftigung mit Themen wie Migration, internationaler Sicherheit oder globalen Machtverschiebungen soll zur aktiven und kritischen Teilhabe am demokratischen Diskurs beitragen.

Unsere Anforderungen für die Inhaltlichen Punkte bei Querschnittsthemen:

Neben den inhaltlichen Themen, die im Geschichtsunterricht behandelt werden, gibt es eine Reihe von Querschnittsthemen, die fächerübergreifend oder in enger Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen vermittelt werden sollten. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Erdgeschichte und die Entwicklung des Lebensraums Mensch, sowie Fauna und Flora (Geografie, Biologie);
  • Mythologie und Identitätsbildung in verschiedenen Kulturen und Epochen (Deutsch, Ethik/Religion)
  • Menschenrechte und die Entwicklung bürgerlicher Freiheiten, vom Altertum bis zur Gegenwart (GK/GRW)
  • Staatsformen im Wandel der Zeit – von Monarchien bis zu modernen Demokratien (Geschichte, GK/GRW)
  • Paranationale Institutionen wie die UNO, die NATO, der Völkerbund, die EU und vergleichbare Organisationen sowie ihre Bedeutung für Frieden und Zusammenarbeit (Geschichte, GK/GRW)
  • Die Geschichte des Extremismus (Geschichte, GK/GRW, Ethik/Religion), mit besonderem Fokus auf
    • die Differenzierung zwischen Terrorismus, Extremismus und Radikalität,
    • deren historischen Ursachen und
    • gesellschaftlichen Auswirkungen.
  • Alltagsgeschichte in ihren vielfältigen Ausdrucksformen, z. B.
    • Architektur als Spiegel von Macht, Religion und Zeitgeist (Kunst),
    • Erfindungen und technischer Fortschritt im historischen Kontext (Geschichte, Physik),
    • Ernährungsgeschichte und kulturelle Essgewohnheiten im Wandel der Zeit (WTH).
  • Heimatgeschichte als Zugang zur Vergangenheit im lokalen und regionalen Kontext, verbunden mit Fragen von Identität, Erinnerung und Kontinuität.

Aufhebungsbestimmungen

Die folgenden Beschlüsse werden aufgehoben: 47-13, 54-07

Kategorien: 57. LDK, beschlossen: 2025, Leitbeschlüsse